Die Zeit, das selbstständige Online-Business und die psychische Gesundheit
oder: Weniger arbeiten – ja, gern, aber wie soll das gehen?
(auch wenn du nicht selbstständig im Online-Business arbeitest, bin ich mir sicher, dass du so einige Ideen für dich mitnehmen kannst, was weniger Arbeiten und deine psychische Gesundheit angeht…)
Eine Stadt in Schweden probiert den 6-Stunden-Tag. Ein ganzes Land startet mit der 4-Tage Woche. Und du? Was tust du für dich?
Als Selbständige sind wir unsere eigenen Chef*innen. Wir bestimmen. Wir folgen. Hast du, was Göteborg und Belgien haben, um auf deiner Seite als Arbeiternehmer*in zu sein?
Psychische Gesundheit hat viele Gefahren-Pfeiler. Zuviel Arbeiten ist ein großer, ach was – ein Mega-Gefahren-Pfeiler für deine psychische Gesundheit als Online-Business-Selbsständige.
Nicht nur, weil du dir oft selbst die*der strengste Chef*in bist, sondern weil digitale Nomad*innen eben von überall aus arbeiten können. Und es tun. Von überall. Und jederzeit…
Weniger arbeiten. So einfach…
So einfach?
Was weniger arbeiten für dich (und den Rest der Welt) tun kann?
Weniger arbeiten?
Ja, klar… (mit sarkastischem Unterton)?
Ja, klar… (hoffnungsvolles Flüstern)?
Ja, klar…(Ausrufezeichen)!
Wo stehst du gerade?
Wenn weniger arbeiten für dich kein Wunsch ist oder auch kein Thema mehr, kannst du hier gern dran vorbeilesen.
Wenn du gern weniger arbeiten würdest, aber es bisher für einen Luxuswunsch deinerseits hältst, hier ein paar Gründe, die auch über dich hinausgehen:
Rutger Bregman geht sogar davon aus, dass weniger arbeiten all unsere Probleme lösen könnte.
Yep! Alle!
Fünf Beispiele für was weniger Arbeiten für uns alle tun kann:
1.) Stressreduzierung (ist klar, oder?)
2.) Verlangsamung des Klimawandel: CO2 Verringerung durch weniger Strombedarf, weniger Fahrtwege, weniger Materialverbrauch… etc.
3.) Weniger Unfälle durch Fehler: mehr hilft nicht mehr. Wer mehr arbeitet, ist überarbeitet, ist müde, macht Fehler. Mitunter mit sehr krassen Konsequenzen: egal ob als LKW-Fahrer*in, Chirurg*in, Raumfahrtphysiker*in… Oder WordPress VA bist.
4.) Reduzierung der Arbeitslosenzahl: es ist genug Arbeit für alle da…
5.) Eine Chance für mehr Gendergerechtigkeit durch eine bessere Verteilung von Care-Arbeit, die durch weniger Lohnarbeitsstunden möglich wird.
Hast du noch weitere Ideen?
Schuldgefühle, Imposter-Syndrom, Existenzangst
Es besser wissen, heißt nicht unbedingt besser tun…
Nicht weil du zu blöd bist, es umzusetzen.
Zu streng als Chef*in?
Strenge ist nicht das Problem. Strenge ist eine scheinbare Lösung für das, was untendrunter als laut brüllende Stimme auf mögliche Gefahren hinweist:
Das geht so nicht! Wenn alle so faul wären, wo kämen wir denn dann hin?!
Wie wie willst du konkurrenzfähig bleiben, wenn du dir das erlaubst?!
Das reicht nicht! So wie du arbeitest, kommst du mit noch weniger Zeit erst recht nicht auf einen grünen Zweig!
Dann landest du unter der Brücke und verhungerst!
Naja, und so weiter uns so fort.
Ja, ist also nicht einfach!
Aber wo und wie fängst du an mit dem weniger Arbeiten?
Meine 4 Ideen für dich:
Was tust du bereits richtig? Was tut dir gut?
Bevor du vielleicht verschlimmbesserst – mache dir erstmal bewusst, was schon gut läuft.
Auch wenn wir evolutionär eher auf Gefahr Wahrnehmung ausgerichtet sind, solltest du nie übersehen, was alles schon gut läuft für dich, was du alles schon richtig gut umsetzt.
Wozu? Um mehr davon zu machen! Um genau dort anzusetzen.
Du bist gut im Pause machen? Mach öfter und länger Pause!
Du hältst deinen Jahresurlaub immer ein? Öfter und länger ist auch hier eine gute Idee…
Wenn du dir morgens drei konkrete Aufgaben aufschreibst, fällt es dir leichter, dich auch genau darauf zu konzentrieren? Dann bleib bei den drei Aufgaben und schiel nicht nach Nummer vier, die nach dem gleichen Prinzip funktionieren könnte…
Dir bewusst zu machen hilft dir nicht nur dabei, das was funktioniert auszubauen. Es führt dir auch vor Augen, dass es überhaupt funktionieren kann – die Verbesserung…
Erstelle einen Arbeitsvertrag mit dir selbst
Probier mal folgende Übung:
1.) Wenn du schon mal angestellt warst oder auch teilweise noch bist – auf welche Dinge schaust du, bevor du einen Arbeitsvertrag unterschreibst? Arbeitszeiten? Lohn? Urlaub? Erstelle eine Liste von Dingen, die dir wichtig sind in einem Arbeitsvertrag.
2.) Schau dir selbst mal über die Schulter und notiere dir, wie der Arbeitsvertrag aussehen würde, nach dem du gerade arbeitest. Was sind deine Arbeitszeiten? Welche Bereitschaft wird vorausgesetzt? Was ist dein Urlaubs- und Krankentage Regelung? Sei ehrlich, aber halte dich an Schuld und Scham zurück. Darum geht es hier nicht. Ein Veränderung ist nur dann möglich, wenn sie dich genau da abholt, wo du gerade jetzt bist. Was ist dein Ist-Arbeitsvertrag?
3.) Nun schreibe deinen idealen Arbeitsvertrag. Was hättest du gern in einer perfekten Welt? Wenn alles möglich wäre, was würdest du dann für dich wählen? Spinne gern ein bißchen rum. Ok, du kannst auch ganz doll herum spinnen! Spinne soviel wir du brauchst…
4.) Schau dir das Ideal und deinen Ist-Zustand an. Was wäre optimal? Was wäre für jetzt gut genug? Was wäre eine Verbesserung, machbar und emotional haltbar für dich? Wo liegt deine goldene Mitte? Wie sind dein optimaler Arbeitsvertrag aus? Würdest du ihn unterschreiben?
Experimentiere herum, bist du weißt, was für dich geht
Nachdem ich den 6-Stunden-Tag lange vorher theoretisch unterstützt und auch propagandiert habe, habe ich ihn 2016 mal ausprobiert…. Hier mein voller Blogartikel dazu und mein Fazit – nix für mich…
Nix für mich, weil ich einfach zyklischer besser arbeite als in festen Zeiteinheiten. Trotzdem bin ich weiterhin für den 6-Stunden-Tag – zum Beispiel da, wo nach Zeit und Präsenz gearbeitet wird (z.B. in der Betreuung von anderen, die sich darauf verlassen müssen). Einfach weil wir es uns alle leisten können und sollten weniger zu arbeiten. Und wenn ich meine Stunden über das Jahr verteilt aufschreiben würde, vielleicht würde ich dann auch auf 6-Stunden pro Arbeitstag kommen… Aber das wäre ein anderes Experiement.
Dieses Experiment hat mich daran erinnert, dass ich aufgrund meiner (mentalen) Gesundheit und auch dem Wechselmodell mit den Kindern, mit dem ich lebe, besser in zyklischen Phasen arbeite – mal mehr (auch mal 14 Stunden pro Tag), mal weniger (2h pro Tag), bis gar nicht (zählbar, weil es mitunter ja in mir weiterarbeitet).
Ich habe in diesem Artikel 11 Tipps zusammengefasst, sie du dein Arbeiten lebenswürdiger gestalten könntest. Vielleicht ist da etwas für dich dabei.
Was würdest du gern mal ausprobieren? Hast du Ideen, was es dir erleichtern würde zeitlich passend für dich zu arbeiten?
Repariere dein emotionales Fundament
Und manchmal kommst du mit Arbeitsvertrag, Experiment und besserem Wissen nicht weiter. Das Thema liegt tiefer.
Vielleicht schleppst du es schon dein ganzes Leben mit dir herum – diese Stimme die sagt, egal wieviel du arbeitest, es ist nie genug, du bist nicht genug…
Oder eine Familientradition, die dich glauben lässt, dass Arbeit erst Arbeit ist, wenn es weh tut – du also über deine Grenzen gehst. Erst dann hat Arbeit Wert. Erst dann verdienst du deinen Lohn.
Und manchmal ist es für Selbstständige noch schwieriger. Jetzt bist du schon mit deiner Selbstständigkeit deinem Herzen gefolgt, hast dir schon so viel Freiheit damit herausgenommen, dann musst du dafür auch extra blechen…
Ja, kognitiv weißt du, dass das Blödsinn ist. Aber die Zeit, als diese Information sich in dir ein Zuhause geschaffen hat, liegt vor der Zeit, der du dir Überzeugungen bewusst ausgesucht hast. Daher kommst du auch mit logischem Denken allein hier nicht weiter. Dein neues kognitives Verstehen allein kommt da nicht ran.
Und weil es eine Menge solcher alten Überzeugungen ins uns gibt, die längst jenseits ihres Verfallsdatums in uns allen hausen und uns darin hindern auf eine Art und Weise zu arbeiten, die uns gut tut (und von der wir auch überzeugt sind), habe ich meine Arbeit als Business Coach vor zwei Jahren um das Wort Emotion erweitert (nachdem ich mich selbstverständlich intensiv in Emotionscoaching mit emTrace weitergebildet habe).
Wenn du also auch merkst, dass du trotz besten neuem Willen an bestimmten alten immer wieder kehrenden innere Stimmen nicht vorbeikommst, dann lass uns gern in einem Vorgespräch mal zusammenschauen, ob und was ich für dich tun kann, damit du endlich so arbeiten kannst, wie du es für dich entscheidest. Lass uns gemeinsam Dinge aufräumen und rausschmeißen, die einfach nicht mehr zu dir gehören. Es ist Zeit…
Links
Warum ein 6-Stunden-Tag perfekt ist (Edition F Artikel)
How working less could solve all our problems (Rutger Bregman TED Artikel)
Arbeitsvertrag mit dir selbst (PDF Infografik Download)
Mein 6 Stunden Tag Experiment (Blog Artikel)
Photo by Majid Rangraz on Unsplash
Liebe Jesta,
ich bin ganz bei dir, dass weniger Arbeiten sehr viele unserer Probleme lösen würde. Aber wie du schreibst ist es nicht einfach das umzusetzen. Ich finde besonders, dass der gesellschaftliche Druck sehr hoch ist „voll“ zu arbeiten und man immer noch komisch angesehen wird, wenn man „nur“ 30 Stunden pro Woche arbeitet. Zumindest bei mir war es so, als ich noch in der Kinderbetreuung tätig war. Und ja, als Selbstständige kommen dann natürlich auch alle möglichen Ängste in Spiel – das kenne ich gut von mir selbst. Danke deshalb für deine 4 Ideen, die du mit uns teilst. Sie sind sehr hilfreich 🙂
Herzlichst,
Sara
Lieben Dank für deine Wertschätzung, liebe Sara und vor allem auch für deine Blogparade, die diesen Artikel inspiriert hat!
Ja, einfach ist es nicht. Daher habe ich hier auch Argumente aufgeführt, die ein Art Reaktionsversuch darstellen, auf die Gegenstimmen aus gesellschaftlichen Druck heraus… Die Angst und die Selbstfürsorge sind auch nochmals ein spannendes Thema…
Herzlichst,
j.