Als Jesta mich einlud, für ihren Blog einen Gastartikel zu schreiben, habe ich mir natürlich überlegt: Wie passen Finanzen – und erst Recht meine Art, Finanzen anzugehen – denn mit Jestas Slow Business Philosophie überein?
Ich, mit meinem „Du musst“ (selbst rechnen), meinem „lieber heute als morgen“ (Geld anlegen) und mit meinem „entweder / oder“ (später oder gleich auf Konsum verzichten) – und Jesta`s „So, wie Du es machst, ist es schon richtig!“ scheinen ja gegensätzlicher nicht sein zu können. Wie also passt das denn zusammen?
Nach ein wenig grübeln kam ich dann drauf. Wir haben trotz aller Härte unserer Businesses, trotz aller Gegebenheiten, denen wir uns in Sachen Finanzen und Selbstständigkeit stellen müssen, die gleiche „weiche“ Philosophie.
Ja, sowohl in der Finanz- und Vorsorgewelt als auch in der Welt des Unternehmertums gibt Gesetzmäßigkeiten, denen wir nicht entkommen können. Wir tragen die Konsequenzen unseres Handelns und unseres Nicht-Handelns ganz alleine. Arbeiten wir nicht „richtig“, so verdienen wir kein Geld. Sorgen wir nicht fürs Alter vor, so gibt es keine Rente. Daran können weder Jesta, noch ich etwas ändern.
Was Richtig ist, ist Definitionssache
Entscheidend ist aber, wie Du an die Sache rangehst. Wie Du richtig für Dich definierst.
Und da ist sie, die gemeinsame Philosophie: Es ist ein Unterschied, ob Du Deinen eigenen Weg durch Dein Finanzleben findest und gehst – oder ob Du Dich zwingst, dass zu tun, was Dir Dein Bankberater, Dein Versicherungsmakler, Deine Eltern oder Deine Freunde als „richtig“ erklärt und aufgetragen haben.
Ja, zu einem Vermögen oder einer sicheren Rente führt nur ein einziger Weg: Du musst irgendwie viel Geld bekommen und es auch behalten können. Aber genauso wenig, wie Du das viele Geld nur durch harte, kräftezehrende und selbstquälerische Arbeit verdienen kannst, genauso wenig gibt es auch nur den einen richtigen Weg, mit seinen Finanzen ins Reine zu kommen.
Wer führt schon gern ein Haushaltsbuch?
Fangen wir doch mal ganz vorne an. Jeder anständige Finanzberater wird Dir sagen „Führ ein Haushaltsbuch! Behalte Deine Ein- und Ausgaben im Blick.“ – und ja, er hat Recht. Vollkommen willen- und planlos das verdiente Geld verleben ist keine gute Idee, wenn Du Dich verantwortungsvoll um Deine Finanzen kümmern willst. (Das ist überhaupt die erste Frage, die Du Dir beantworten solltest: Will ich mich darum kümmern? Was heißt denn für mich „verantwortungsvoll“ und wo fängt „kümmern“ denn überhaupt an?).
Und obwohl wir uns unstrittig alle einig sind, dass ein Haushaltsbuch genauso wichtig und sinnvoll ist, wie einen Businessplan zu schreiben wenn man sich selbständig macht, lebt eine ganze Industrie davon, nicht fortgeführte Haushaltsbücher und Businesspläne wiederzuverwerten. (Ja, ich rede von der Altpapierindustrie.)
Die wenigsten Menschen führen erfolgreich über Jahre ein Haushaltsbuch. Zu groß ist der Aufwand und viel zu unbefriedigend sind die Erkenntnisse daraus („Oh Mist, ich habe schon wieder mehr Geld für Krimskrams ausgegeben als ich sollte!“).
Also, da haben wir es: Es ist absolut richtig, ein Haushaltsbuch oder einen Businessplan zu schreiben. Es ist aber entgegen der landläufigen Meinung der Beraterbranche absolut nicht notwendig, Dein Leben und Arbeiten solchen Schriftstücken zu unterwerfen. Du kannst genauso gut entscheiden, die gewonnen Erkenntnisse dazu zu nutzen, einen anderen Weg weiter zu gehen – und z.B. nur einmal im Jahr Kassensturz anhand Deiner Kontoauszüge zu machen.
Ein anderes Beispiel: Die Vorsorgeberatung bei Deinem Bank- oder Versicherungsmenschen.
Lass sie Deine Angst nicht riechen!
Da sitzt Du nun, mit Deiner Sorge um die Zukunft und Deinem latent schlechten Gewissen, weil Du Dich erst jetzt an die Thematik ran traust. Du weißt ja genau, dass Du Dich schon viel früher damit hättest beschäftigen sollen.
Aber der Versicherungskram verunsichert Dich, außerdem sagt jeder etwas anderes und Du warst die letzten Jahre erst mal damit beschäftigt, überhaupt Deinen Beruf und Dein Leben aufzubauen.
Ich gebe Dir jetzt einen unbezahlbaren Tipp aus Insiderkreisen:
Dein schlechtes Gewissen macht Dich zu einem gefundenen Fressen (vor allem für Provisionsverkäufer)!
Wir Finanzmenschen können so etwas auf 5m Entfernung – also genau eine Schreibtischlänge – wittern. Und glaube mir, nur die wenigsten meiner Zunft können diesem Geruch widerstehen.
Ja, Du hast Recht – Du bist spät dran. (Das gilt für alle, die älter als 33 sind).
Aber: Es ist egal. Du bist jetzt dran, das ist alles was zählt.
Laß´ Dich also nicht ins Bockshorn jagen von allem „sollen, hätten, müssen“. Du willst jetzt und Du hast jetzt die Gelegenheit, es souverän anzugehen.
Goldene Regeln, die es einfacher machen
Ideal ist es natürlich, wenn Du schon genau weißt, was Du willst (da hilft das Berechnen des eigenen Finanzplanes, so wie Du es in meinem Buch „Rente ohne Roulette“ lernst, immens dabei).
Aber selbst, wenn Du Deine Ziele noch nicht in Zahlen ausdrücken und ganz klar formulieren kannst, musst Du Dich nicht zum Freiwild machen lassen.
Du brauchst nur ein paar Regeln beachten und Dir erlauben, trotz Deines schlechten Gewissens unbequem zu sein.
Die Regeln sind einfach:
– Unterschreibe nie sofort.
– Unterschreibe nichts, was Du nicht zu Gänze verstehst.
– Frage so lange nach, bis Du es verstehst.
– Frage nochmal nach, bis Du es wirklich verstanden hast.
– Trau´ Dich, Nein zu sagen, wenn Dein Bauch Nein sagt.
– Frage nach Alternativen: Der Profi sitzt vor Dir, er muss liefern – nicht Du musst folgen.
Du siehst, nicht die Gegebenheiten sind verhandelbar, sehr wohl aber Dein Umgang damit. In dem Augenblick, in dem Du die Perspektive wechselst und Dir erlaubst, Deinen eigenen Weg zu finden, machst Du Dich frei.
So weich, erlaubend und ermutigend Jestas Slow Business Philosophie und meine finanzielle Persönlichkeitsentwicklung also auf den ersten Blick auch zu sein scheinen, täusche Dich nicht: Es erfordert Mut, Selbstreflexion und Beharrlichkeit, die Pfade zu verlassen, die Generationen von in alter Denke verhafteten Berater ausgetreten haben.
Die Abkehr von dem „wie man es macht“ ist – genau betrachtet – die radikalste Form der Selbstverwirklichung. Aber es lohnt sich. Versprochen.
Links
SlowPodcast Interview mit Anette Weiss
Anette Weiss Buch Rente statt Roulette (Affiliate Link)
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