Wer mehr Geld verdient, macht keine Hausarbeit!?
Dieser Blogartikel ist entstanden im Rahmen der Blog Parade Konflikte als Chance, ins Leben gerufen von Christina Wenz.
Elternteams jenseits von Rollenklischees…
Wir wollten doch alles anders machen. Gleichberechtigter, erfüllender für alle Eltern, zusammen anpacken und uns dabei gegenseitig nie aus den Augen verlieren als Paar, als Team… Und dann kamen die Kinder und die Zeit wurde knapp, ebenso wie der Schlaf. Die großen Pläne erlagen dem täglichen Faktor X, dem Unvorhergesehenen, und die kleinen Pläne gingen immer nur bis zum Ende des Tages, wenn überhaupt. Das große Bild gibt es nicht mehr, da wir im täglichen Kleinen versunken sind…
Die Zeit rennt, das Chaos wächst und mit ihr die Erschöpfung, die Unzufriedenheit, die Spannung, die unerfüllten Erwartungen… Und wir geben auf. Und nehmen immer wieder die erstbeste Lösung: klare Rollenverteilung nach altem Muster – Geldverdienen und auf der anderen Seite Haushalt & Kinder… Geht doch auch irgendwie. Für mehr ist halt die Zeit und Kraft nicht da. Für große Weltverbesserungen reicht es nicht. Das ist nur was für Leute ohne Kinder… Und trotzdem bleibt die ewige Unzufriedenheit, die Genervtheit, die Sehnsucht nach einer Zeit, wo wir wieder auf Augenhöhe nebeneinander stehen – vielleicht wenn die Kinder größer sind…
Ich arbeite als Zeitmanagement Coach auch mit Elternteams zusammen, die das dringende Bedürfnis haben sich anders zu organisieren, so dass der Alltag besser gemeinsam klappt, vor allem auch jenseits von Rollenklischees. Wenn traditionellere Rollen für manche Familien passend sind und sich alle gut damit fühlen, dann ist das wunderbar und diese Familie hat gefunden was ihr gut tut und funktioniert.
Nur leider fühlen sich meistens eben nicht alle wohl mit ihrer Aufteilung, die immer wieder dem Modell ‚Einer verdient das sichere und große Geld und die Andere kümmert sich um Haushalt, Kinder, Emotionales und wenn sie noch Zeit findet kann sie ja was dazu verdienen…‘ähnelt. Weder der Eine ist glücklich, der die finanzielle Verantwortung allein stemmen muss zu Kosten seiner Zeit mit Familie, Hobbies, Freunden, noch die Andere, die um die wichtigen Termine der anderen herumfließen muss mit ihren Bedürfnissen, Projekten und Visionen…
Und trotzdem wollen viele es anders machen, anders leben. Aber Elternsein in dieser Gesellschaft, die Realität des Arbeitsmarktes und ein Müdigkeitsgrad, den man sich vorher kaum vorstellen konnte, lassen uns als Eltern mit Visionen in der Isolation zurück. Der Pioniergeist weicht dem Altbekannten. Nicht besserem aber altbekanntem Modell der Rollenaufteilung nach weltlichem Verdiener und häuslicher Versorgerin. Und das Glücklich und Erfüllt Sein wird verschoben auf später. Wann ist später? Und vor allem welche Stellvertreterkonflikte leben wir bis dahin aus?
Ich könnte jetzt hier viele Methoden aus meiner Arbeit vorstellen und Mut zum Konflikt machen und zum Abenteuer der gemeinsamen Lösung einladen. Aber hier möchte ich von meiner Erfahrung erzählen und auf diese Art Mut machen, einen Konflikt anzunehmen. Um die Lösung geht es später.
Auch für mich ist dieses Thema eine sehr aktive Baustelle. Eine Putzfrau haben wir seit meiner zweiten Schwangerschaft. Und das hat unsere Ehe auf vielen Ebenen gerettet. Auch wenn es manchmal finanziell eng wird, die Putzfrau ist im Budget drin. Und unser Budget ist alles andere als stabil und regelmäßig. Ich bin Selbstständig in Vollzeit. Meine Frau ist Doktorandin und dazu wissenschaftliche Mitarbeiterin in Teilzeit. Haushalt und Kinder teilen wir uns 50/50. Immer wieder müssen wir uns anhören, dass das bei uns so gut klappt, weil wir zwei Frauen sind… Vielleicht. Vielleicht weil sich in unserer Familie so vieles neu zusammenfügt und das Traditionelle von sich aus hinter sich lässt. Vielleicht weil wir nichts für selbstverständlich nehmen und alles hinterfragen.
Und ja, unser Alltag ist gut aufgeteilt und wenn keines der Kinder krank wird und auch wir unversehrt sind klappt es sehr gut. Vielleicht weil wir zwei Frauen sind, von denen die eine auch noch Zeitmanagement Coach ist… Aber trotzdem stoßen wir an die gleichen Probleme wie alle Elternpaare, die eine andere Form von Rollenverteilung leben möchten und die erschöpft sind, wenige Vorbilder haben und nicht viel Ermutigung. Unsere Vision ist gleichberechtigt zu leben, uns in unserer Arbeit und Entwicklung zu unterstützen, ein starkes Gemeinsam zu haben und genügend Freiraum, so dass alle ihrer Neugierde und Leidenschaft nachgehen können.
Das ist unser Bedürfnis, unser Plan, unsere Vision von wie wir leben möchten. Und es ist schwer, das immer so hinzukriegen. Es gibt viele Auseinandersetzungen, Kämpfe, gebrochene Versprechen, das Gefühl zu kurz zu kommen, das Gefühl allein verantwortlich zu sein für etwas. Wenn wir uns richtig doll fetzen nennen wir uns ‚Mutti‘ und ‚Vati‘ als Schimpfwörter für Rollenklischees: Ah, Mutti muss im Blick haben, welche Schuhe den Kindern noch passen und was neu besorgt werden muss, während Vati solche Kleinigkeiten eben nicht im Blick hat; nur wenn ein Vogel aufs Auto macht, sieht er das sofort und rettet den Lack …‘ Es ist beschämend. In Konflikten tauchen wir oft auf Ebenen in uns hinunter, wo nur noch Monstergruben sind. Am liebsten vergessen wir das gleich wieder, dass wir so jemand waren, dass wir sowas gesagt haben… Das kann man doch niemandem erzählen.
Vieles in unseren Konflikten ist einfach nur Alltag mit kleinen Kindern. Vieles ist hochgeputscht durch unsere hohen Erwartungen an die andere und vor allem an uns selbst. Die Lücke zwischen dem, was wir gern hätten und wie es ist scheint so oft unüberwindbar. Was wir herausgefunden haben ist, dass es trotzdem einen Mittelwert gibt – das was möglich ist unter den Umständen ist zwar noch nicht immer gleich das, was wir gern hätten, aber es ist auch meistens mehr, als was gerade ist.
Und so macgyvern wir uns voran. Schritt für Schritt. Konflikt zu Konflikt. Es gibt keine allgemeingültigen Lösungen weder für alle, noch für uns als Familie. Fast jede Situation ist einzigartig. Für mich selbst hilft es immer wieder mein Bild vom Leben als Abenteuer heraufzubeschwören: es muss gar nicht alles glatt gehen. Es muss Schwierigkeiten und Herausforderungen geben. Woran sollen wir denn sonst wachsen? Und wenn ich mir mal die Zeit nehme zu schauen, wie weit ich schon gekommen bin in den letzten Jahren… Wow! Ich werde groß…
Wir haben uns vor dem Projekt Elternsein versprochen, dass wir uns jeweils in den ersten drei Lebensjahren unserer Kinder nicht trennen egal was da komme. Wir haben so viele Freunde mitbekommen, die in diesen Anfangsjahren des Elternseins an ihre emotionalen und physischen Grenzen gekommen sind, die der Kopf nicht mehr ausbalancieren konnte. Und sie haben sich getrennt. Auch wir haben oft mit diesem Gedanken gespielt, nicht weil wir nicht mehr miteinander leben wollten, sondern weil wir nicht wussten wie.
Wer bleibt zu Hause, wenn die Kinder krank sind? Wessen Termin ist wichtiger? Wer geht mit dem Kind zum Arzt? Wer kümmert sich um den Kindergeburtstag oder auch einfach nur um soziale Kontakte mit den Eltern der Kitafreunde? Wer darf wann welches Wochenende für Seminare und Konferenzen haben? Wer kauft wann und wieviel ein? Können wir mit einer Person unser Leben verbringen, mit der wir uns wegen so kleiner, blöder Dinge streite? Wieviel Kraft bringen wir abends noch auf, um gemeinsam Zeit zu verbringen?
Es gibt Wochen da lebt unsere Ehe von 90 Minuten Sonntagabend gemeinsam Tatort schauen bei einem Glas Wein oder Bier. Manchmal schlafen wir dabei ein…
Wir haben uns versprochen nach den drei Jahren erstmal wieder zu uns zu kommen, den Schlafentzug aufzuholen, uns aufzupäppeln und dann zu schauen, was was ist. Für die Zeit bis dahin haben wir uns Begleitung geholt in Form von Eheberatung, wo wir einen neutralen und unterstützten Raum haben die groben Konflikte zu anzuschauen, Lösungen zu finden und einfach nur regelmäßig einzuchecken mit einander. Allein würden wir das nicht hinkriegen. Was uns am meisten hilft ist der Frieden damit, dass es eine konfliktreiche Zeit ist. Das müssen wir nicht mehr bekämpfen. Es ist schwierig.
Pioniergeist braucht Vorbilder. Mitstreiter. Die es versuchen, auch scheitern und uns Mut machen es auch immer wieder zu versuchen. Selbst bei sozialer Isolation helfen da online Foren oder Blogs wie Femily Affair zum Versuch gleichberechtigter Elternschaf oder auch Bücher wie ‚Die Mamas und die Papas‘ mit Sammlungen von Essays und Erfahrungsberichten zum Thema. Viele (und da schließe ich uns mit ein) fühlen sich schnell einsam in ihrem Projekt Selbstbestimmte Familienrollen.
Und natürlich würden uns in unserem Konflikt miteinander als Elternteams auch bessere Bedingungen von außen helfen:
- Eine Arbeitswelt, die sich dem Leben anpasst und nicht umgekehrt.
- Eine Gesellschaft, die wieder zu dem Dorf wird, die es braucht um Kinder groß zu ziehen.
- Eine Aufwertung des Elternseins.
- Und noch ganz viel mehr, was den Rahmen dieses Artikels sprengen würde, aber trotzdem auf diesem Blog noch zu finden ist und sein wird.
Es braucht auch den Mut zum Konflikt. Zur Auseinandersetzung mit unseren Klischeebildern, die doch eigentlich schon ihr Verfallsdatum überschritten haben. Die Auseinandersetzung mit dem was wir wollen, auch wenn es sich geändert hat, seit wir unseren emotionalen Ehevertrag geschlossen haben – damals mit viel Herzensblut und großen Visionen.
Nichts davon ist einfach. Das eine nur lohnt sich besonders, weil es unser Leben authentischer werden lässt. Als Paar. Als Familie. Als Vorbilder für unsere Kinder, wie wir arbeiten, wie wir Eltern sind, wie wir ein glückliches Leben führen.
Liebe Jesta, ich danke Ihnen von Herzen für diesen wertvollen Beitrag zur Blogparade. Herzlichen Dank, dass Sie uns als Leser so ehrlich und offen an Ihrem Leben teilhaben lassen. Einfach toll! Besonders gut und entlastend finde ich die Regelung, sich in den ersten drei Lebensjahren der Kinder nicht zu trennen. So viele Menschen trennen sich leider in dieser Zeit. Ich finde Ihren Umgang mit den Konflikten toll und bewundernswert! Herzliche Grüße, Christina Wenz
Sehr gern geschehen, liebe Christina Wenz. Ein tolles Thema für eine BlogParade – was ja auch an den vielen tollen Beiträgen zu sehen ist!
Hallo Jesta,
Toller Artikel! Vielen Dank für deine Offenheit. Ich bin berührt von eurer Entschlossenheit und Reflektiertheit, mit den traditionellen Rollenkonflikten anders umzugehen und sie nicht als gesetzt hinzunehmen. Und da soll mal noch einer sagen, wir seien per se gleichgestellt. Gleichstellung in der Partnerschaft ist ein permanenter Aushandlungsprozess. Ich finde das wirklich mutig und eine Riesenleistung von euch. Große Hochachtung <3
Alles Liebe für Euch!
Anna
Herzlichsten Dank für deine lieben Worte, Anna! Es braucht immer wieder viel Mut und auch Unterstützung wie die deinige hier…
Herzlichst, j.
Hallo Jesta,
ich kann mich in Deiner Beschreibung super wiederfinden. Ja ich bin der Papa und hab nicht im Blick, ob die Schuhe den Kindern passen. Aber mit ein Grund, das ich mich zur Zeit selbstständig mache, ist es, das man bei einer 40 Stunden Woche auf Arbeit, vieles einfach auch nicht leisten kann, wie zum Beispiel die sozialen Kontakte in Schule und Kindergarten. Auch lastete oder lastet immer noch die Verantwortung für die leider immer noch zu knappen Finanzen auf meinen Schultern.
Wir haben zusammen sechs Kinder und vier davon sind von mir und ich kenne nur zu gut die Hoffnung, das man irgendwann mehr Zeit für sich und seine Ehe hat.
Ich wünsche Euch auch weiterhin viel Erfolg.
Liebe Grüße
Wolfram
Lieber Wolfram, hab herzlichen Dank für deine sehr ehrlichen und persönlichen Worte hier. Ja, mit klassicher Rollenverteilung sind nicht nur die Mütter/Frauen unzufrieden. Wäre es nicht wunderbar, wenn wir Wege finden könnten beides zu leben: unsere Kinder aktiv und liebevoll ins Leben zu begleiten und auch unsere finanzielle Existenz sichern auf eine Art, die uns gut tut und nicht nur von Angst und Pflichterfüllung motiviert ist… Einen Weg gibt es nicht, nur viele verschiedene individuelle. Und immer braucht es Pioniergeist…
Liebe Jesta,
du hast so liebevoll beschrieben, was der alltägliche Wahnsinn ist. Aber eben nicht der „alltägliche“ Umgang damit. Es beutet so viel, das Leben und Miteinander weiter zu lieben, wenn es sich so sehr ändert, wie es niemand hätte vorstellbar beschreiben können.
Das Neue als Weg zu bereifen, Schritt-für-Schritt, der manchmal ziiemlich mühsam sein kann. Und gleichwohl das Schöne zu genießen. Denn auch das begegnet uns beim Wandern.
Und dann die Betrachtung des großen Ganzen, dem wir teils „ausgeliefert“ sind (alte Strukturen auf dem Arbeitsmarkt, in unseren Werten etc.). Es ist ein ewiges Lernen. Und sich dem stellen, was ist. Und damit nicht alles persönlich zu nehmen.
Mit Humor. Das hilft, so meine Erfahrung, oft. Frieden und Harmonie haben überhaupt erst einen Wert durch Konflikte und umgekehrt. Du kennst ja sicher das Wertequadrat.
Ganz wunderbarer Beitrag. Und so fein formuliert!
Herzlich,
Cornelia
Liebe Cornelia, hab herzlichen Dank für deine lieben Worte.
Und ja, Humor ist immer gut! Manchmal auch nur in Form eines Gedanken – eines Tages werden wir zurückblicken und darüber laut lachen, auch wenn uns jetzt zum Heulen ist… Wie, zum Beispiel, wenn die Frau auf Konferenz weg ist, beide Kinder Magen-Darm-Virus aus der Kita mitbringen, die Nachbarn meckern, dass die Waschmaschine so spät noch läuft, du nicht weißt, wo du zuerst wischen, umziehen oder trösten solltest und kannst. Und dann wird dir plötzlich auch noch komisch im Magen… Humor!
Herzlichste Grüße, j.