‚Mach das weg, ich will mich so nicht fühlen… ‚
Warum es kein ‚weg‘ gibt für Emotionen und warum das auch gut ist. Für dich.
Wenn wir Emotionen zur Vordertür rausschicken, kommen sie zur Hintertür wieder rein. Verkleidet als Argument. Das du bis zum Anschlag diskutierst und verteidigst, ohne mit deinem Gegenüber weiter zu kommen.
Verkleidet als Gedankenkarussell. Das dich nachts wach hält. Das dich aus der Gegenwart entführt und da sein lässt ohne da zu sein.
Emotionen gehen nicht weg.
Da hilft es dir kein ‚Ach, brauchst doch keine Angst haben‘ Argument. Da hilft dir keine ‚Hab dich nicht so‘ Ansage.
Emotionen halten sich fest.
Denn sie haben einen Auftrag.
Es gibt keine ’schlechten‘ Emotionen – nur übereifrige Bodyguards…
Emotionen sind deine Bodyguards.
Sie halten dich am Leben. Sie sagen dir Bescheid, wenn eins deiner Bedürfnisse, zum Beispiel am Leben zu bleiben nicht die Klippe hinunter zu stürzen, deine Aufmerksamkeit braucht.
Oft bemerken und benennen wir Emotionen erst dann, wenn sie übereifrig werden. Wenn aus Angst Panik wird. Wenn aus Wut Zerstörungswahn wird.
Aber sie sind immer da.
Und wenn sie ihren Job gut machen, bemerken wir sie kaum und gehen einfach unserem regulären Leben nach.
Wie gute Bodyguards halten sie für uns die Augen und Ohren vorausschauend offen: Vorsicht Klippe, bitte einen Schritt zurück. Vorsicht Respekt für dein Gegenüber, bitte jetzt lieber nichts sagen.
Wenn sie ihren Job übereifrig machen, sind sie wie Bodyguards, die alles umnieten, was sich in unserer Nähe nur bewegt und lassen uns gar nicht erst aus dem Haus. Oder nieten auch mal uns um im Übereifer des Gefechts.
Aber sie können ihren Job auch ungenügend tun und wir kriegen einen auf die Mütze, während sie unterm Baum im Park stehen und sich eine Kippe drehen.
Aus übereifriger Angst wird Panik und du verkriechst dich im/unterm Bett. Und wenn die Angst hinten im Park rumhängt stürzen wir von der Klippe vor uns.
Aus übereifriger Freude wird Euphorie, die dich Ja sagen lässt, auch wenn dein Zeitbudget nur ein Nein hergibt. Und wenn die Freude sich eine Kippe dreht, kommst du nicht los ins Tun, auch wenn du es dir so sehr wünschst.
Es gibt keine guten und schlechten Emotionen. Sie sind alle auf deiner Seite. Sie wollen dich alle beschützen und am Leben erhalten.
Es gibt durchaus angenehme und unangenehme Gefühle…. Das brauchen wir nicht weiter zu diskutieren.
Aber was tun?
Zuhören…
Yep. Einfach nur zuhören.
Auch wenn du das Gefühl hast, dass es dich zerreißen wird.
Auch wenn du das Gefühl hast, dass du da nie wieder rauskommst.
Und nein, es ist nicht einfach.
Aber es wird dich nicht zerreißen.
Und du wirst wieder rauskommen. Und du wirst weiterkommen.
Eine meiner Lieblingsgeschichten zu Emotionen, die bewusst Besuchszeit bekommen, stammt aus dem Buch ‚Tuesdays with Morrie‘ von Mitch Albom.
Ein Sportjournalist besucht jeden Dienstag seinen ehemaligen Professor Morrie, und sie tauschen Geschichten, Weisheiten und Lebensfreude aus. Morrie ist schwer erkrankt und es ist absehbar, dass er nicht mehr lange leben wird. Sein ehemaliger Student wundert sich – warum ist Morrie nicht wütend oder traurig. Hat er keine Angst vor dem Tod? Morrie ist eine der lebensverliebtesten Personen, die er kennt.
‚Doch, doch‘, antwortet Morrie.
‚Ich habe Angst und ich bin auch wütend und traurig. Jeden Morgen, wenn ich aufwache, sehe ich aus dem Fenster und beobachte wie die Blätter des Baumen im Wind tanzen und der aufgehenden Sonne entgegen singen. Hinter mir im Bett schnarcht leise meine Frau.
Und ich bin traurig, dass das alles auch bald ohne mich so weitergehen wird. Und ich bin wütend, warum gerade ich diese Krankheit habe. Und ich habe Angst vor dem, was die Krankheit noch alles mit meinem Körper tun wird. Und dann weine ich und tue mir leid. Aber nur für 15 Minuten. Diese 15 Minuten erlaube ich mir jeden Morgen. Aber dann stehe ich auf, weil noch bin ich ja am Leben. Und das werde ich auch leben bis zur letzen Minute genießen. Und das kann ich weil ich mir diese 15 Minuten am Morgen nehme…‘
Dies ist meine freie Nacherzählung. Aber das ist, was die Geschichte in mir hinterlassen hat. Auch als Übung für meine Morgen in Zeiten, wenn die Emotionen sehr viel zu erzählen haben…
Was hat das mit dir zu tun?
Vielleicht magst du es auch mal ausprobieren und dir bewusst Zeit nehmen für Emotionen und sie einfach nur laufen lassen.
Vielleicht kann Morrie auch deine Beziehung zu deinen Emotionen versöhnen.
Was hat das mit uns beiden zu tun?
Dieser Text ist inspiriert von vielen Erstgesprächen, in denen mir Klient:innen erzählt haben, wie verzweifelt und hilflos sie sich fühlen, wenn ihre Emotionen sich wie Horrorfilmgestalten in ihnen aufbäumen und es keine Entrinnen zu geben scheint.
Und vielleicht fühlst auch du dich manchmal einfach nur deinen Emotionen ausgeliefert. Du weißt vielleicht auch, dass sie einen Sinn und Zweck haben, aber der macht sich für dich nicht sichtbar.
Du triffst deine Entscheidungen vielleicht auch schon so, um bestimmte Dinge oder Situationen zu vermeiden, weil du weißt, dass dann bestimmte Emotionen auf dem auftauchen und alles übernehmen.
Und vielleicht ist jetzt für dich die Zeit gekommen, wo das so nicht mehr geht. Wo du einfach endlich wieder volle Pulle Leben haben willst und nach Lust und Laune und deinen Werten und Visionen Entscheidungen treffen möchtest. Nicht mehr allein, um die innere Monstergruppe zu vermeiden…
Dann lass uns gern reden und in einem Erstgespräch schauen, ob es mit uns passt und wie wir zusammenarbeiten können.
Ich mache deine Emotionen nicht weg. Aber ich stelle mich mit dir in ihr Feuer und halte deine Hand, während du ihnen zuhörst. Und sie zur Normalgröße zurückgehen, weil sie wissen, dass ihr Werk getan ist…
Für dich noch mit auf den Weg:
‚It’s OK to feel overwhelmed‘ Elizabeth Gilbert auf TED über die Möglichkeit unserer Intuition des Moments zu vertrauen in jeder Situation und auch warum, wir immer wieder auch aus den stärksten Emotionen rauskommen. (leider nur auf Englisch)
‚Why we all need to practice emotional first aid‘ Guy Winch TED talk – warum wir emotionale Verletzungen genauso ernst nehmen sollten, wie körperliche Verletzungen. (inklusive deutschem Transkript)
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