Der eigene Rhythmus und das glückliche Arbeiten
Wie managt sich eine Zeitmanagement Coach eigentlich selbst? Und wo und wie hat sie das gelernt? Heute erzähle ich von meinen Selbstmanagement Anfängen und was ich daraus für immer mitgenommen haben…
Die Hauptbausteine zu meinem kreativen Zeitmanagement sind:
- Arbeiten nach Intuition
- Es spannend und verspielt halten
- Negative Gefühle als Teil des Ganzen mitmachen aber nicht bestimmen lassen
- Ideen laut aussprechen
- Mentoren suchen
- Trial & Error Ansatz
Die Freiheit des Falschmachens
Ich habe mein eigenes Zeitmanagement in einer Zeit gefunden, als ich sowieso alles falsch gemacht habe oder eben nicht so wie man’s macht.
Ich habe die Schule in der 12. Klasse abgebrochen, als ich gemerkt habe, dass ich keinen weiteren Tag der sturen Aufgabenerfüllung nach festgelegtem Plan ertragen konnte. Ich hatte einfach keine Lust mehr.
Und ich war auf einer guten Schule. Wir hatten Lehrer aus der ganzen Welt, drei Orchester, vier Chöre, eine Sporthalle in der drei Basketballspiele gleichzeitig stattfinden konnten. Und trotzdem habe ich es nicht ertragen jeden Morgen um 8Uhr da zu sein und mich im 90 oder sogar 45 Minuten Takt mit Themen auseinander zu setzen, die mich entweder zu wenig oder zu sehr interessierten, um diese festgelegten Zeitabschnitte damit zu füllen.
Ich hatte mich ja schon fünf Jahre früher in das selbstbestimmte Lernen verliebt – in der post-revolutionären Nach-Wende Anarchie-Phase ’91-’93, wo unsere DDR Lehrer nicht wirklich wussten, was sie jetzt mit uns machen sollten und nur wussten, was sie nicht mehr durften.
Demokratische Schülerbeteiligung – klang gut und so saßen wir Klassensprecher mit im Schulparlament und entschieden mit wie die neue Turnhalle aussehen sollte, wohin das Geld, das wir bei Veranstaltung einnahmen ging… Wir entschieden mit, welche Bücher wir lasen, zu welchen Ausstellungen wir als Klasse fuhren oder welches Projekt wir ins Leben riefen, um ein Thema erfahrbar zu machen. Wir hatten einfach richtig Bock auf Schule.
Danach war Lernen durch Neugier und Wissensdurst nicht mehr eingrenzbar und ich wurde zur anstrengenden Schülerin, die alles in Frage stellte und immer ihre eigenen Wege entwickelte, Dinge herauszufinden.
Wissen wie es nicht geht, ist ein Anfang…
Die kalte Dusche kam mit meinem Austauschjahr in den USA – in Birmingham, Alabama, im tiefsten Süden des Mutterlandes der Demokratie. Ich war auch hier auf einer finanziell sehr gut ausgestatteten Schule, aber auch auf einer, wo die Sportlehrer die Polizisten der Schule waren die Röcke der Mädchen und die Haare der Jungen nachmaßen, um deren Länge innerhalb der Schulordnung zu halten. Und dann kam ich – die kleine Deutsch-Russische Punkerin aus Ostberlin, die gerade eben demokratische Beteiligung in ihrer Urform entdeckt hatte…
Die neue Schule in Berlin, war zwar freier und weltoffener, aber an mein Schul- und vor allem Selbsterlebnis der ersten Jahre nach der Wende kam sie nicht heran (in der Zwischenzeit hatten sich auch die Lehrer an meiner ehemaligen Schule gefangen und das Schulparlament wurde in seiner Verfügungsgewalt stark eingeschränkt).
Naja – ich war noch nie wirklich gut im Aushalten und so schrieb ich mich eines Morgens einfach aus, nachdem ich erfahren hatte, dass ich zwar das Abi für Erwachsene alterstechnisch noch nicht machen konnte, aber dass ich mich als Autodidaktin gern zur Prüfung für Nichtschüler beim Schulamt anmelden konnte. Das Schulamt verwies mich an die Bibliothek fürs Lehramt und so kopierte ich mir dort die Lehrpläne und begann mein erstes großes eigenes Experiment – Abi selbst beibringen…
In dieser Zeit lernte ich alles über mein Zeitmanagement – ich hatte keine Ahnung, wie man‘s macht. Ich machte es ja sowieso schon falsch (weil richtig – wäre zur Schule gehen gewesen). Also machte ich es irgendwie.
… heraus zu finden, was der eigene Rhythmus ist
Ich stand um 12Uhr mittags auf. Ich fing um 14Uhr an mit Lernthemen wie Geschichte oder Biologie. Meine Ideenzeit so ab 19 Uhr füllte ich meistens mit Deutsch und Englisch.
Meine Abende so ab 2Uhr früh waren der Mathematik gewidmet. Mathe war klar und einfach – eine Formel, du setzt Zahlen ein, fertig. Das half mir zur Ruhe zu kommen. (Jahre später habe ich noch Kurvendiskussion beim Start gemacht, um meine Flugangst einzudämmen). Schlafen ging ich so gegen 4 oder 5Uhr früh. Perfekt.
So mache ich es bis heute. Die Zeiten haben sich etwas verschoben – ich habe inzwischen zwei kleine Kinder…
Aber was ich aus dieser Zeit mitgenommen habe für mein Studium, für all meine Studiums, meine freie Arbeit und auch so alle Projekte sind diese Dinge:
- Ich arbeite nach Intuition – was ist jetzt das Wichtigste, weil da ist die Energie und ich brauche nicht extra Kraft aufzuwenden, um mich in Stimmung zu bringen. Auch wenn ich immer einen ungefähren groben Plan habe, den ich detailliert ausgearbeitet habe, so führe ich die Aufgaben, die ich frei einteilen kann, immer nach Bauchgefühl Reihenfolge aus. Beim detaillierten Planen geht es um den Prozess selbst – das Beschäftigen mit meinen Aufgaben, das Rausschmeißen von Unnötigem oder Abgelaufenem, das Setzen von ungefähren Terminen, das Übersetzen von Projekten und Problemen in konkrete Aufgaben.
- Wenn ich morgens aufstehe, spüre ich einfach nach, was heute das Wichtigste ist und beschränke es immer auf drei Aufgaben – nach Pi mal Daumen eine ganz große, eine mittlere und eine kleine. Klar gibt es auch Termine, aber jede frei einteilbare Zeit wird von mir auf diese Art genutzt. Vergesse ich so nichts? Eigentlich nicht. Das Wichtige ist sowieso immer im Vordergrund. Wenn es das nicht ist, ist es vielleicht auch nicht so wichtig…
- Wenn mich eine Aufgabe langweilt, überlege ich mir was neues Aufregendes – zum Beispiel einen Ortswechsel von Café, zu Flughafenhalle, zu Kirche, zu Bootssteg… Je nach Jahreszeit und Energie, die ich für diese Aufgabe brauche. So habe ich zum Beispiel mal ein Theaterstück über den Mauerfall auf dem Fernsehturm geschrieben. Oder ich habe meine Aufgaben nummeriert von drei bis 18 und jedes Mal gewürfelt, wenn ich was Neues anfangen wollte. Irgendwann war das auch nicht mehr spannend und ich habe mir wieder was Neues einfallen lassen.
- Als ich ein Projekt anfing, vor dem ich sehr große Achtung hatte, naja Schiss, habe ich einen Aufgabenfragebogen entwickelt: Wonach ist mir heute? Was würde mich weiter bringen? Wovor habe ich die größte Angst? Was ist langweilig? Das habe ich dann ausgefüllt und damit vielen Angstmonstern schon mal gleich den Kopf abgeschlagen allein dadurch, dass ich es benannt habe. Mit diesem Fragebogen habe ich jeden Tag so lange gearbeitet, bis sich die Anfangspanik gelegt hat und ich meinen eigenen Rhythmus gefunden habe.
- Damals habe ich meiner Ratte Purple jeden Tag erzählt, was ich gelernt habe. Heute laufe ich einmal im Monat einen Abschnitt des 66-Seen –Wanderwegs um Berlin und diktiere Ideen direkt in mein Handy. Ich höre das nicht immer ab, aber allein das hineinsprechen, das Aussprechen von Ideen, Gedanken, Fragen manifestiert Dinge und ermöglichst den nächsten Schritt.
- Ich habe mir damals unter meinen Freunden und Verwandten Lehrer und Mentoren für die jeweiligen Fächer gesucht – als Nicht-Schüler wird man in 8 Fächern geprüft, vier schriftlich, vier mündlich. Auch heute suche ich immer ganz aktiv nach Menschen, von denen ich lernen möchte – das kann so einfach sein, wie ein bestimmtes Buch von jemandem zu kaufen, ein Seminar zu besuchen, oder ein Tauschgeschäft einzugehen (bei mir zum Beispiel Walk&Talk Coaching gegen Webdesign). Manchmal lade ich auch einfach nur jemandem zum Kaffee ein und frage ein paar Dinge – die meisten Menschen fühlen sich sehr geehrt, wenn ihr Wissen auf diese Weise genutzt wird.
- Damals wie heute – wenn ich nicht weiterkomm, probiere ich weiter rum, bis was passt. Es gibt kein Rezept, das für alle Situationen ausreicht – aber das Rumprobieren, das Trial & Error, ist ein One-Size-Fits-All.
Epilog zum glücklichen Arbeiten
Abi habe ich geschafft – von sehr gut in meinen Interessenfächern bis gerade so noch durchgekommen im Rest. Gut genug. Ich habe nach Lust und Laune mit agilem Plan gearbeitet – der Inhalt fast identisch zum Schulabi, aber die Art und daher der Weg haben alles für mich verändert.
Das einzige, das ich anders machen würde, wenn mich eine Zeitmaschine zurücksetzen könnte, wäre all das zu machen mit weniger Zweifeln und ohne dieses ewige Gefühl, von es falsch zu machen, weil’s ja Spaß macht.
So wie wir’s machen, wenn wir’s irgendwie machen, kommt unserem optimalen Zeitmanagement meist sehr nah. Wenn wir dann noch die verschwendete Energie für Zweifel und Scham eliminieren und diese Energie in Ideenentwicklung und Tatendrang umwandeln, wird’s fast perfekt.
Es sind meist die Glaubenssätze, deren Verfallsdatum schon lange abgelaufen ist, die wir aber trotzdem noch mitschleppen, die uns im Wege stehen, es so zu machen wie es für uns richtig und optimal ist, so dass wir mit Sinn und Freude, also glücklich arbeiten können, egal, was wir machen.
Ich glaube an das glückliche Arbeiten – nur dann können wir unser Bestes in diese Welt bringen. Dafür braucht es nicht nur das Was, sondern auch das Wie unserer Arbeit.
Gerade wir Gründer:innen, Visionär:innen, Weltverändernde, Aktivisten:innen brennen schnell für unsere Sache und irgendwann rauchen wir uns dabei auf. Das Wie sollte dem Was angepasst sein, so dass wir das Was unserer Arbeit nachhaltig halten und weiterentwickeln können.
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Huhu Jesta,
danke für deinen Beitrag zur Blogparade. 🙂
Ich fand es total spannend von deinen Erfahrungen zu lesen und habe mich selbst in dem Gefühl entdeckt, dass etwas schnell langweilig wird. Mir kommen ständig neue Ideen und Projekte in den Sinn – aber mir fehlt meist das Durchhaltevermögen dafür. Mir hilft dabei viel Aufschreiben und in kleinen Schritten planen.
Liebe Grüße,
Katja
Hallo Jesta,
wirklich interessante Arbeitszeiten, die du hier beschreibst.
Mathematik nach Mitternacht klingt auf jeden Fall spannend 😉
Ich bin zwar auch eine Person, die noch spät abends produktiv sein will und es auch kann, doch fällt es mir manchmal auch etwas schwer.
Nun mit Familie stelle ich mir das kreative und freie Denken und Schreiben etwas schwerer vor. Hättest du vielleicht einen Tipp oder Hinweis, wie das gelingen kann?
Beste Grüße
Julian
Lieber Julian,
Nun komme ich erst jetzt dazu dir zu antworten – ich war den gesamten August in der Auszeit…
Und ja klar, habe ich Tipps und Hinweise und könnte jetzt direkt auf meine Coaching Arbeit verweisen, da das Herausfinden, was genau du dafür brauchst eben sehr individuell ist, wie eben auch du selbst und deine Situation… Und auch wenn das stimmt, so gibt es doch trotzdem ein paar allgemeine Dinge, die ich hier gern teile:
1. Warum sollte es mit Familie schwerer sein? Ich habe jahrelang vor meinen Kindern als Autorin und Autorencoach gearbeitet und weiß daher nur zu gut, dass wir immer irgendwelche Gründe finden, nicht kreativ zu werden und das aktiv in die Welt zu träumen, was uns wichtig ist… Kinder und die festen Zeiten und Rhythmen, die damit einherkommen machen es manchmal sogar leichter, weil sie uns in Strukturen heben, die uns auch bestimmte Erdung verschaffen. Ich selbst arbeite konzentrierter, wenn ich weiß, dass ich um 16Uhr los muss, um die Kinder aus der Kita zu holen… Ohne diesen festen Termin kriege ich die Zeit auch rum, aber nicht unbedingt so, wie ich es gern hätte.
2. Wenn es eine One-Size-Fits-All Methode gibt, dann Trial & Error – einfach immer wieder ausprobieren und herumexperimentieren, bis du etwas findest was passt und geht.
3.Und was mir hilft: einfach immer und überall eine Idee aufgreifen, wenn sie mir entgegen kommt – aufs Handy sprechen, auf einen meiner immer-bereiten Zettel schreiben… Und dann eine ganz feste Ideenverarbeitungsroutine, die das beste und brauchbarste abschöpft, weiterentwickelt und auch zu Ende bringt…
Ich hoffe, das hilft dir etwas.
Herzliche Grüße,
J.