Warum ich nicht mit Klienten arbeite, die eine 120-h-Woche überleben möchten…
…Und was meine Top 11 Tipps sind für ein Arbeiten, das lebenswürdig ist.
Gleich vorweg: Ich selbst arbeite immer wieder mal eine 120-h-Woche. Diese Woche ist dann gefolgt von einer 10-h-Woche und einer 30-h-Woche und auch mal einer 0-h-Woche. Das ist mein Rhythmus. Ich denke schnell und arbeite gut mit Schüben von ganz Viel gefolgt von Schüben von Weniger bis hin zu Garnichts…
Slow Business Coach…
Das Ganze funktioniert für mich. Und ich arbeite auch oft und gern mit Menschen zusammen, für die das auch so ist: Klienten als auch Kollegen.
Und ich arbeite auch oft und gern mit Menschen zusammen, die einen ganz anderen Rhythmus haben und auch behalten wollen.
Ich arbeite nicht mit Menschen zusammen, die stolz darauf sind sich zu Dingen zu zwingen können, die ihnen nicht gut tun und die sie vor allem nicht hinterfragen (wollen oder können).
Ich verteile auch keine Tipps, wie man etwas überleben kann, auf das die Antwort Abschaffen ist und nicht sich besser darin zu trainieren, weniger oder keine menschlichen Bedürfnisse mehr zu haben.
Ja, es kommt immer wieder mal vor im Leben, dass es schneller und enger wird, als es uns gut tut. Das sind Ausnahmesituationen und wir können das auch wirklich gut überstehen mit den Ressourcen, die wir uns in Normalzeiten angeeignet haben.
Und manchmal gibt es auch Zeiten im Leben, wo es öfter schneller und enger wird – zum Beispiel zu Zeiten großen Veränderungen wie der Geburt eines oder vor allem des zweiten Kindes, wenn wir für andere um uns herum mit einspringen müssen, wenn wir etwas Neues beginnen und uns erstmal einfinden müssen…
Aber dabei gilt es, diese Situation nicht nur damit zu überstehen, dass wir gut für uns sorgen und uns Hilfe und Beistand holen, sondern es geht vor allem darum, diese Situation langfristig wieder zu verändern und zu normalisieren.
Wenn es dir darum geht, von mir als Business Coach ein paar gute Tipps und Tricks zu erhalten, wie du etwas, das du eigentlich gar nicht willst überleben kannst, dann passen wir nicht gut zusammen.
Ich könnte eine Menge Geld damit machen, genau das zu versprechen mit meiner Arbeit als Coach: egal was man von dir verlangt, du wirst es leisten können zu 200% Zufriedenheit; du wirst dich als Top-Performer positionieren und es allen beweisen…
Ich könnte. Aber nicht wirklich, weil mir ‚Geld als Spielstand um den Pokal des besten Verkäufers‘ als Motivation nicht genügt. Weil ich den Sinn erkennen muss, in dem was ich tue. Und weil dieser Sinn mit meinen Werten und Visionen übereinstimmen muss. Sonst komme ich zu gar nichts und leiste miese Arbeit.
So üblich…
Und das ist auch mein Hauptproblem mit dem Artikel, der Auslöser war für diesen – Wie überstehe ich eine 120-Stunden-Woche‘. Selbst wenn das alles funktionieren sollte, was da unter ‚Training für Extremes Arbeiten‘ angeboten wird – wo ist die Frage nach dem Warum und Wozu?
Und vor allem ging es dem Autor nicht nur um eine dieser 12-h-Wochen, sondern um diese Woche als Standard, weil es bei Startups (und Banken) so ‚üblich‘ sei.
Ich habe eine Allergie gegen ’so üblich‘ – die ganze Menschheitsgeschichte ist voll von ’so üblich-keiten‘, die glücklicherweise irgendwann von jemand mit Mut und Menschlichkeit in Frage gestellt worden und damit in den Prozess der Veränderung gerieten…
Ich habe den Artikel erst für einen Scherz und umgekehrte Psychologie gehalten. Leider nein. Es ist vollkommen ernst gemeint und versteht sich wirklich als Hilfestellung.
Mein erster Entwurf dieses Artikels war ein Auseinandernehmen des 120-h-Wochen Artikels, um ihn ad Absurdum zu führen.
Ich habe mich dann dagegen entschieden, weil er das eigentlich schon selbst tut.
Ich habe mich stattdessen dafür entschieden, meine eigenen Top 11 Tipps zusammen zu stellen, wie du deine Arbeit gestalten kannst, dass sie nicht zu etwas wird, das du überleben musst.
Meine Top 11 Tipps für eine Arbeit, die lebenswürdig ist:
1.) Kenne dich selbst gut und finde deinen Frieden damit, dass du bist wer du bist und kannst, was du kannst und brauchst was du brauchst.
‚Man kann sich ja selbst nicht zu Hause lassen,‘ wie eine Freundin immer wieder lachend verkündete, wenn es mal wieder Zeit war, sich selbst nicht zu ernst zu nehmen in ihren vielen bunten Un-Perfektheiten.
Du kannst vieles für dich verändern. Du kannst vieles ändern. Aber der Grundstock dessen, was dich ausmacht, macht dich nun mal aus und das ist auch gut so… Du kannst, sollst und brauchst gar nicht in allem perfekt zu sein. Gönn dir dein buntes Selbst zu sein und genieße es.
2.) Sorge für dich
Ja, manchmal hinterlassen uns Situationen, die uns nicht umbringen etwas stärker als vorher. Das heißt aber nicht, dass wir uns diese Situation selbst herbeischaffen müssen, um uns abzuhärten für den Notfall.
Was uns auf den ‚Notfall‘ vorbereitet ist ein Ressourcenreichtum, der uns mit mehr versorgt als wir wirklich brauchen. Wenn wir uns immer möglichst mit allem versorgen, was wir brauchen, können wir extra Kraft, Selbstglauben, Motivation und Vision bunkern, für Zeiten, wenn diese Dinge mal kurzfristig rar werden…
3.) Kenne deinen Biorhythmus und arbeite mit dir, statt gegen dich
Besonders als Eltern wissen wir, dass sich unser Biorhythmus als Gewohnheit mal für eine Zeit verschieben kann. Aber wirklich ändern können wir ihn nicht.
Brauchen wir auch gar nicht. Deinen Biorhythmus zu kennen, ist schon ein guter Anfang, um bestmögliche Entscheidungen für dich zu treffen.
4.) Sei ehrlich zu dir selbst, was deine Aufgaben dir abverlangen
Es bringt dir nichts, so zu tun als ob es doch nur eine Netzwerkveranstaltung am Abend ist, bei der du mit einem Glas Sekt Chillen und nebenbei Netzwerken brauchst… Wenn du besonders als introvertierte Person abends dein Kontingent an extrovertierter Energie verbraucht hast und es einfach nur alles zu viel, zu laut, zu anstrengend für dich ist.
Es bringt dir nichts, dir einreden zu wollen, dass es doch nur die Steuererklärung ist, die jeder Depp hinkriegt, wenn dir Zahlen und alles Amtliche Panik bereitet und du enorm viel emotionale Kraft in dieses Projekt stecken musst.
Es bringt dir nichts, wenn du die Tatsache, dass langes Sitzen dir viel körperliche Kraft abverlangt, einfach in deinem Zeitmanagement System ignorierst, weil ‚das doch wirklich lächerlich ist‘.
Es bringt dir und deinem Arbeiten so viel mehr, wenn du die Aufgaben als das kalkulierst, was sie dich kosten.
5.) Führe deinen Biorhythmus und die Anforderungen deiner Aufgaben bestmöglichst zusammen.
Wenn du weißt, wie du funktionierst und was deine Aufgaben dir abverlangen, ist es einfacher gezielter herauszufinden, wie es für dich funktioniert.
Statt immer nur dem hinterher zu renne, wie man es macht, bringt es dir doch mehr herauszufinden, wie du es machst. Wie es für dich funktioniert.
Probiere es aus und siebe Schritt für Schritt aus, was für dich nicht geht, um dich auf das zu konzentrieren, was geht.
6.) Kenne deinen Arbeitsstil und lass dich einfach…
Ich nutze immer gern das Beispiel der Schmetterlinge und Krähen, um Arbeitsstil zu erklären. Es ist nicht so wichtig, wie du etwas machst, wenn du dahin kommst, wo du hinwillst.
Leider kommt es immer wieder vor, dass wir uns mit dem beschäftigen, wie es aussieht. Wie wir dabei aussehen. Und dabei vergessen, worum es uns eigentlich geht – unsere Leidenschaft und unser Können in etwas zu verwandeln, das wir in die Welt bringen möchten.
Ob wir dabei professionell aussehen, ob wir dabei eine gute Figur machen… Die Qualität deiner Arbeit wird immer wieder lauter sprechen, als jegliche Deko auf dem Weg dahin.
7.) Konzentriere dich auf das, was dir wichtig ist und schaffe Raum dafür
Miste aus. Lass los, was nicht mehr zu dir gehört. Gib den Dingen, den Glaubensätzen, den Gewohnheiten die Chance jemand anders zu beglücken, in dem du sie in einer Verschenkebox an den Strassenrand stellst.
Sie haben dir mal genützt und waren für etwas genau richtig.
Jetzt nicht mehr. Sie haben das Verfallsdatum bei dir überschritten. Du dankst ihnen, wünschst ihnen alles Gute für die Zukunft und dann öffnest du die Hand, die sich daran festkrallt, drehst dich um und gehst Schritt für Schritt davon…
Minimalismus hat eigentlich wenig mit Askese und Selbstläuterung zu tun. Minimalismus legt eigentlich nur den Weg frei auf das, was uns wichtig ist und gut tut, so dass wir es in vollen Zügen genießen können.
8.) Erwarte nicht, dass du alles im Voraus planen kannst – checke lieber öfter mit dir ein und passe deine Aktion dem Ist-Zustand an
Zeitmanagement hat nichts damit zu tun, dass du in deine Glaskugel schaust und dann alles im Griff hast. Also einen Plan erstellst, der dich vor allen Eventualitäten bewahrt und den du nun, nur noch abarbeiten musst.
Manchmal verführt kleinst-detaillierte Planung auch dazu, dass du nur noch umherspringst und das Leben und andere Lebendigkeiten verfluchst, die sich nicht an deinen Plan halten.
Hab einen Plan. Sei vorbereitet. Aber dann sei einfach nur da und kriege mit, was gerade ist und was es von dir brauchst…
9.) Glückliches Arbeiten ist immer die Kombi von Sinn und Vergnügen – versuche sie nicht gegeneinander auszuspielen…
Was bringt es dir, wenn du dich mit dem wofür du brennst aufrauchst? Was bringt es dir, dass dir die Arbeit ja auch soviel zurück gibt und Spa? macht, wenn du dafür aber deine Gesundheit komplett ruinierst? Was bringt es dir oder irgendjemandem, dass du angesichts des Leids anderer dein eigenes verstärkst und/oder ignorierst, weil du dich für die Sache opferst?
Und ja, es macht Spa? den Urlaub tauchend auf den Malediven zu verbringen, dir jede neue Laune sofort per Klick zu kaufen, die Wochenenden heftigst durchzufeiern oder den Berg mit Speed und Karacho und Mountainbike herunterzurasen, um dich endlich selbst wieder zu spüren in deiner Lebendigkeit… Und dafür halt einen Job hinzunehmen, der weder Spaß und schon gar nicht Sinn macht.
Existenzangst hat nicht nur mit wenig Geld zu tun. Deine Existenz ist auch von gelebten Werten abhängig.
Mal ist mehr Sinn, mal mehr Vergnüng angesagt. Das ist der Rhythmus des Geschehens. Aber im Großen und Ganzen tanzen Sinn und Vergnügen miteinander nicht gegeneinander…
10.) Genieße deine Kontakte, Beziehungen, Netzwerke…
…nicht nur als notwendiges Übel oder von der Frage besessen, wer dir wofür und wie nützlich sein kann.
Genieße es jemanden zu mögen, gern um dich zu haben und euch gegenseitig inspirieren zu lassen.
Es geht immer um Beziehungen. Es geht uns immer um Verbundenheit mit anderen. Um Anerkennung unserer Selbst. Um das Gefühl dazu zu gehören.
Gönn dir dieses Bedürfnis als das, was es ist – dein tiefstes Mensch sein…
Und berufliches Netzwerken ist nicht nur ein professionelles Muss. Es ist die Art, wie wir irgendetwas auf die Beine stellen – vor allem uns selbst.
11.) Folge im Alltäglichen dem Impuls und in den Entscheidungen und Strategien, dem großen Bild, das alles einschließt was dich ausmacht:
- Deine Vision
- deine Familie
- deine Bedürfnisse
- deine Werte
- deine Ressourcen
- deine Situation
- dein Arbeitsstil
- deine Beziehungen
- deine Talente – die angeborenen als auch die ausgewählten…
Um das aktiv in die Welt zu träumen, was dir wichtig ist, musst du vor allem eins – du sein. Und das umarmt eben alles, was dich ausmacht.
In alltäglichen kleinen Entscheidungen überwiegt mal eine Seite von dir. Ausnahmsweise auch mal für längere Zeit.
Aber dein Leben sollte nicht ständig mit gedrückten Pause-Tasten bestimmter Bereiche und Bedürfnisse vor sich hin spielen. Finde dein UND statt dich ständig mit einem ENTWEDER ODER zufrieden zu geben…
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